Freibad – Kosten ohne Ende

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Das Freibad vor der Sanierung

 

Die Ausgangslage

Christopher Huck, Ratsmitglied

Bereits seit 1936 verfügt Herdecke über ein Freibad. Die Herdecker denken an viele schöne Aufenthalte zurück, einige beschreiben das Bad als einen Sehnsuchtsort. Den Wunsch nach dem Erhalt und Weiterbetrieb des Bades können wir durchaus nachvollziehen. Aber nicht um jeden Preis.

Die angespannte Haushaltssituation lässt uns nur geringen Spielraum. In den Ausschüssen wird über jede Parkbank und jede Bürgersteigabsenkung gestritten. Für unsere Investitionen müssen wir weitere Kredite aufnehmen, deren Rückzahlung auf Jahrzehnte gar nicht absehbar ist. Für unsere Entscheidungen werden künftige Generationen zur Kasse gebeten, die heute nicht mitentscheiden können. Wir sollten darum sorgsam prüfen, was wir unseren Kindern zumuten müssen bzw. wollen.

Die Zahlen

Ursprüngliche Planung

Sanierung Freibad Herdecke                           3.121.818,00 EUR

Davon Fördermittel                                           2.700.000,00 EUR

Davon Eigenmittel                                                  421.818,00 EUR

Quelle: https://www.sport-jugend-kultur.de/projekte/steckbrief/herdecke/freibad-bleichstein

Aktuelle Beschlusslage (Ausschusssitzung 18.06.2024)

Sanierung Freibad Herdecke:                          6.164.953,00 EUR

Davon Fördermittel                                           2.700.000,00 EUR

Davon Eigenmittel                                              3.464.953,00 EUR

 

Die Steigerung der Gesamtkosten beträgt aktuell 97,5 %.

Die Höhe der Fördermittel verbleibt bei 2.700.000,- EUR.

Die Steigerung des Eigenanteils beträgt aktuell 821,5 %.

 

Kaum zu glauben: In den deutlich gestiegenen Kosten sind deutlich weniger Leistungen enthalten.

 

Ursprünglichen war vom Verzicht auf Sprungturm, Strudel und Wasserrutsche keine Rede – Alle diese Attraktionen sollen nun genauso entfallen wie die Wärmehalle.

Die Kostensteigerung wäre also noch viel höher, wollte man auch noch an diesen Attraktionen festhalten.

Damit steht auch fest, dass die DLRG das Bad in Zukunft nicht mehr für Ausbildung, insbesondere für Prüfungsabnahmen, benutzen kann. Die DLRG wird zukünftig auf andere Bäder ausweichen müssen, außerhalb Herdeckes, weil notwenige Wassertiefen hier nicht mehr zu finden sein werden.

„Wer denkt an unsere Jugendlichen?“, wurde uns immer wieder entgegengerufen, als wir uns für die Schließung des Bades aus Kostengründen ausgesprochen hatten.

„Es stehen genug Bäder in unmittelbarer Nachbarschaft zur Verfügung“ hatten wir erläutert. Mit dem Bus nach Wetter oder Witten, zu Fuß oder Rad nach Hagen – für viele Herdecker würde nicht einmal die Anreise weiter als zum Freibad nach Herdecke.

„Die Jugendlichen hätten ohne Freibad doch gar keine Anlaufstation mehr in Herdecke“. „Herdecke würde unattraktiv“.

Noch im letzten Jahr wurde das Freibad als Lernort für Jugendliche beworben: zwar findet dort kein Schwimmunterricht statt, aber einerseits wäre es wichtig, dort das in den Schulen erlernte Schwimmen zu verfestigen. Anderseits könne man das soziale Lernen gar nicht hoch genug bewerben. Da waren sich alle anderen Fraktionen einig: das Bad ist unverzichtbar, gerade für Jugendliche. Dass die FDP sich anders äußerte, führte zu großem Bestürzen und zu Vorwürfen der anderen Fraktionen.

Die aktuelle Entwicklung lässt uns darum staunen! Das Bad soll nun als „Familienbad“ weiter betrieben werden. Das heißt konkret, dass Sprungturm, Wasserrutsche und Strudel entfallen. Das Bad soll dafür ein neues Kinderbecken erhalten. Durch den Verzicht auf die Attraktionen werden Sanierungskosten in siebenstelliger Größenordnung eingespart, was wir grundsätzlich begrüßen. Überraschend war aber, dass niemand mehr etwas von den Argumenten wissen wollte, die bis Anfang 2024 „gar nicht hoch genug“ bewertet werden konnten.

Die gleichen Fraktionen, die bisher den wichtigen Anlaufpunkt für Jugendliche als unverzichtbar hielten – es sind alle anderen Fraktionen – wollen nun nichts mehr davon wissen. Die Jugendlichen werden bestenfalls gar nicht mehr erwähnt. Oder man stellt nun fest, dass ja durchaus Bäder in Nachbargemeinden mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind – das hielten die Gleichen bisher für unzumutbar.

Nun ist es Konsens in Herdecke: Ein Freibad als Attraktion für Jugendliche ist verzichtbar, die notwendige Sanierung ist unverhältnismäßig teuer und in unserer angespannten Haushaltslage nicht zu stemmen. Ende gut, alles gut? Weit gefehlt!

Nahtlos entdecken nun die anderen Fraktionen die Notwendigkeit für ein Familienbad in Herdecke. Gerade für die Kleinsten müsse man doch ein Angebot machen. Herdecke wäre sonst nicht mehr attraktiv für Familien.

 

Es ist bemerkenswert, dass diese Notwendigkeit für Familien genau an dem Tag erkannt wurde, an dem die ursprünglich geplante „große“ Freibadsanierung aus Kostengründen ad acta gelegt werden musste. Das bisherige Kinderbecken ist seit Jahrzehnten (!) defekt und somit nicht mehr in Nutzung. Man ist geneigt zu fragen, welchen Gefallen Familien eigentlich bisher an Herdecke finden konnten.